Die WM in Berlin - ein großartiges Erlebnis
von Ceyda Pala
Der 51. Intersteno-Kongress in Berlin ist zwar etwas länger her, dennoch lohnt es sich, sich noch einmal daran zu erinnern. Für mich war die Weltmeisterschaft im Schnellschreiben ein ganz besonderes Erlebnis – vor allem deshalb, weil ich die einzige Schülerin aus Deutschland und zugleich die einzige blinde Teilnehmerin war. Sie war die erste Weltmeisterschaft, an der ich teilnahm und für mich definitiv ein voller Erfolg.
Am Freitag, den 21. Juli kamen mein Vater und ich in Berlin an. Nach dem Abendessen saßen wir mit den anderen deutschen Teilnehmern zusammen und es gab lebhafte Gespräche, die meine Aufregung und Vorfreude auf die Wettbewerbe noch weiter steigerten. Ich hatte mich für Tastschreiben, Audiotranskription und Protokollierung eingetragen.
Der nächste Tag verlief umso spannender. Nach dem Frühstück lernte ich schon die ersten Teilnehmer aus anderen Ländern kennen. Alle waren äußerst herzlich und es herrschte eine gelassene, fröhliche Stimmung. Anschließend fing das Training für die Wettbewerbe an. Beim Tastschreiben musste mir der Text diktiert werden, da ich den Ausdruck in Schwarzschrift nicht selbst lesen kann. Dies übernahm Ute Wild, eine meiner Trainerinnen, die mich schon von Anfang an unterstützt. Sylvia Georgiou, Vorsitzende des Vereins war auch anwesend, um mir meine Rechtschreib- bzw. Tippfehler anzusagen. Eine auf meinem Laptop installierte Sprachausgabe sagt zwar die von mir getippten Zeichen an, kommt aber nicht immer meiner Schreibgeschwindigkeit hinterher, weshalb mir viele Fehler entgehen. Diese Unterstützung benötigte ich, um meinen sehenden Konkurrenten gegenüber nicht benachteiligt zu sein. Wir sind schon seit einigen Jahren ein gut eingespieltes Team, dem auch Melanie Schweizer (zweite Vorsitzende) angehört, aber sie musste für ihre eigenen Wettbewerbe trainieren. Da das Diktat des Textes die anderen Teilnehmer gestört hätte, musste ich in einem anderen Raum schreiben, was mir die Wettbewerbsleitung trotz anfänglicher Skepsis erlaubt hatte. Nach der Eröffnungsfeier im Delphi Film Palast ging es weiter mit dem Training. Audiotranskription erforderte dabei die meiste Übung, da mir diese Disziplin noch sehr neu war. Leider funktionierte mein Fußpedal nicht zuverlässig, was mir Sorgen bereitete. Am Abend gingen wir gemeinsam mit den anderen Vereinsmitgliedern essen, danach trainierte ich weiter für Audiotranskription. Wir versuchten noch am späten Abend, das Fußpedal-Problem zu beheben: Wir installierten das Programm neu, probierten es auf einem anderen Laptop usw., doch es half nicht. Mal funktionierte das Pedal, mal wieder nicht, was leider auf die meisten Fälle zutraf. Ich fühlte mich gestresst und befürchtete, die Möglichkeit, ein gutes Ergebnis zu erzielen, verloren zu haben. Vor lauter Aufregung war ich noch bis spät in die Nacht wach.
Der Sonntag begann schon um 06:00 Uhr. Nach einem kurzen Frühstück und zwei Espressi ging es los mit dem Tastschreiben. Frau Wild und Sylvia waren wieder da und der Wettbewerb verlief einwandfrei, ich konnte mich gut konzentrieren und hatte meine Nervosität im Griff. Nach einigen weiteren De- und Reinstallationen der Audiotranskriptions-Software gaben wir es endgültig auf, ich konnte das Fußpedal nicht benutzen. Doch ich war heilfroh, als Melanie beschloss, mir ihr eigenes Pedal zu leihen. Dafür war sie selbst im Wettbewerb benachteiligt, aber das schien ihr nichts auszumachen. Ich schrieb wieder in einem anderen Raum, gemeinsam mit einem sehbehinderten Teilnehmer aus Italien. Auch Audiotranskription verlief überraschend gut. Um 16:00 Uhr fand Protokollierung statt. In dieser Disziplin benötigte ich keine weitere Unterstützung, daher konnte ich erstmals gemeinsam mit den sehenden Teilnehmern im selben Raum schreiben – eine weitere neue Erfahrung. Am Ende war ich ziemlich erschöpft, vor allem wegen der großen Aufregung sowie der vielen neuen Eindrücke und Bekanntschaften. Da ich mit den Wettbewerben durch war, fuhren mein Vater und ich anschließend wieder nach Hause und ich konnte mich erholen.
Zur Siegerehrung am Donnerstag fuhren mein Vater und ich noch einmal nach Berlin.
Ich machte mir keine große Hoffnung auf eine Medaille, denn einige Konkurrenten waren unglaublich schnell. Ich war sehr gespannt auf die Ergebnisse und konnte diese kaum erwarten. Doch schon bald wurde mein Name tatsächlich aufgerufen. Ich konnte es kaum fassen: Im Tastschreiben war ich mit 399 Anschlägen pro Minute auf dem zweiten Platz. Und ich kam drei weitere Male aufs Siegertreppchen: In Audiotranskription belegte ich mit 324 Anschlägen den dritten, in Protokollierung mit 92 Prozent den zweiten und in der Kombinationswertung den dritten Platz. Niemand hatte mit diesen Ergebnissen gerechnet, daher war ich umso glücklicher darüber. Die Weltmeisterschaft war ein einzigartiges, unvergessliches Erlebnis und ich hoffe, beim nächsten Mal auf Sardinien wieder dabei zu sein (dann natürlich mit funktionierendem Fußpedal).
Bei Melanie möchte ich mich nochmal ganz herzlich bedanken!!!